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Best Practice: So geht Innovation

Der Innovationsdialog Handwerk in NRW identifiziert fortlaufend bestehende innovative Modelle und Betriebe in Nordrhein-Westfalen als gute Beispiele. Sie sind die Vorbilder dafür, wie gute Ideen in innovativen Lösungen münden.

Heimat als Teil der DNA

Best Practice Betrieb »Privat-Brauerei Hohenfelde GmbH«

Schon von der angrenzenden Landstraße ist er zu sehen: Ein großer Schütze in Gold, welcher am Gebäude der Privat-Brauerei Hohenfelde GmbH in Langenberg prangt. Gleich daneben findet sich das historische Sudhaus. Hinter großen Fensterfronten sind aus dem Auto heraus drei große alte Kupferkessel zu erkennen. Bereits 1845 wurde die Brauerei vom Ratsherren des Guts Hohenfelde gegründet, womit sich der Name erklärt. Aber woher kommt der Schütze im Logo? Das kann Sophia Schütze, Nachfahrin des ersten Braumeisters, den der Ratsherr damals anstellte, erklären.

Sophia Schütze leitet in sechster Generation das Familienunternehmen, …

… an dem ihre Familie nach und nach Anteile erwarb, ehe ihre Großmutter schließlich 100 Prozent der Brauerei übernahm, obwohl sie ihren Ehemann früh verlor. »Trotzdem führte sie alleine die Brauerei weiter, bis mein Vater auch ins Geschäft einsteigen konnte. Das hat sie meisterlich gemacht, gerade weil es zu der Zeit ein Novum war, in einer männerdominierten Branche als alleinerziehende Frau eine Brauerei zu führen«, erzählt Sophia Schütze stolz, die noch heute ihre Großmutter um Rat fragt. »Aktuell gibt es bei Industriebrauereien schon vereinzelt Frauen in Führungspositionen, aber Bier ist halt nicht das typische Frauenprodukt. Hier und auch im gesamten Handwerk brauchen wir weibliche Vorbilder, die zeigen, wie abwechslungsreich die Tätigkeit ist«, berichtet die 29-Jährige.

Zum 175-jährigen Jubiläum …

… rückte der Schütze noch mehr in den Vordergrund, da hier ein kompletter Relaunch der Marke Hohenfelder – vom Gebäude bis zum Bierdeckel –, wie Sophia Schütze erzählt, vorgenommen wurde. Möglich war dies, da Gewinne seit jeher ins Unternehmen zurückflossen und die Brauerei so durch kontinuierliche Investitionen gut aufgestellt war. Nachdem ein Konzept entwickelt wurde, um die Brauerei für die Zukunft moderner und dynamischer zu präsentieren, wurde gemeinsam mit einer Marketing-Agentur innerhalb eines Jahres der Relaunch umgesetzt. Die Vision dabei: Bier als ehrliches Produkt darzustellen, welches eng in der Region verwurzelt ist. Schütze: »Wir wollten Heimat als Teil unserer DNA in den Vordergrund stellen. Wir sind eine Schornsteinbrauerei, wir konzentrieren uns also auf einen Umkreis von 50 bis 70 km. Das bedeutet kurze Transportwege, Transparenz, Nahbarkeit und regionales Sponsoring, damit das Geld in der Region, bei unseren Wurzeln bleibt.«

Im April 2020 sollte der Relaunch mit einem großen Hoffest gefeiert werden, die Pandemie machte dies zunichte. Während die Brauerei die ausgefallenen Brauereibesichtigungen noch mit Hilfe eines digitalen Rundgangs durch die Brauerei zumindest ideell ersetzen konnte, brachen die Umsätze ein. »Als regionaler Betrieb war das keine einfache Zeit«, erzählt Schütze. »Doch unsere Region unterstützte uns, indem beispielsweise unter dem Hashtag #bierbleibentreu als Challenge Bier gekauft und andere dazu motiviert wurden, es ihnen gleich zu tun.« Das sorgte für einen enormen Umsatz mit Flaschenbier, während der mit Fassbier zurückging.

In andere Behälter füllt die Brauerei aus nachhaltiger Überzeugung nicht ab, da die Herstellung von Aluminium-Dosen zu energieintensiv und bei PET-Flaschen das Recycling nicht immer gewährleistet ist. Stattdessen setzt die Brauerei auf Mehrweg-Glasflaschen, die bis zu vierzigmal wieder befüllt werden können, ehe sie eingeschmolzen und wiederverwertet werden. Dafür beteiligt sich die Brauerei an einem Pool für Mehrwegflaschen. »Diese werden übrigens nur mit Etiketten aus Naturpapier beklebt«, ergänzt die 29-Jährige. »Als Schornsteinbrauerei sind wir nachhaltig orientiert. Je kürzer die Transportwege, desto weniger Emissionen. Das gilt nicht nur für die Auslieferung von Bier, sondern auch für die Anlieferung von Materialien. Wir sind darauf angewiesen, dass diese möglichst schnell im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft bei uns sind, etwa leere Fässer und Kästen, damit wir diese schnellstmöglich wieder nutzen können.«

Kreislaufwirtschaft

Für Sophia Schütze ist die Kreislaufwirtschaft eine Voraussetzung, gerade weil Brauen sehr energieintensiv ist. So wird täglich gemessen und analysiert, wo und wie Energie eingespart werden kann. Durch Wärmerückgewinnung wird sichergestellt, dass heißes Wasser wiederverwendet wird. Während das Brauwasser aus eigenen Brunnen kommt, wird Abwasser durch eine eigene Kläranlage wiederaufbereitet und als Nutzwasser genutzt. »Die betriebliche Kläranlage gehört zum Inventar der Brauerei. Trotz des Aufwandes liegt es uns sehr am Herzen, die Kommune hier zu entlasten.« Nicht nur in puncto Kreislaufwirtschaft war die Brauerei dem gesellschaftlichen Trend voraus. Seit 2013 deckt sie ihren Strombedarf ausschließlich aus erneuerbaren Energien und plant diesen in Kürze mit einer PV-Anlage selbst zu erzeugen. Weiterhin investiert die Brauerei in E-Mobilität und ist Bio-zertifiziert. »So eine Zertifizierung ist immer eine Herausforderung, die wir aber gerne annehmen. Grundsätzlich ist es der richtige Weg für die Zukunft, auch wenn wir noch nicht selbst Biobier brauen, so stellen wir unsere Brauerei und unser Wissen gerne für Start-Ups und Craft-Beer-Brauer*innen zur Verfügung«, erzählt Schütze.

Nachhaltigkeit ist Argument

Diese Nachhaltigkeitsaspekte sind aus Schützes Erfahrung Argumente für junge Menschen, sich für eine Ausbildung bei der Brauerei zu interessieren. Insgesamt beschäftigt das Familienunternehmen 28 Beschäftigte und neun Aushilfen, die Besuchsgruppen durch die Brauerei führen. In zwei Schichtsystemen arbeiten hier sieben Brauer und Mälzer, davon drei Auszubildende. Der mit 28 Jahren betriebsälteste Braumeister fungiert als technischer Leiter. Eine weitere Auszubildende lässt sich seit letztem Jahr erstmalig zur Industriekauffrau ausbilden.

»Wir sind aber kein Industrieunternehmen«, erklärt Sophia Schütze, »unsere Beschäftigten üben keine standardisierten Tätigkeiten aus, sondern haben einen abwechslungsreichen Arbeitstag mit vielen verschiedenen Aufgaben, wofür sie ein breites Spektrum an Tätigkeiten benötigen.« Deshalb hat die Brauerei das Ziel, in jedem Lehrjahr mindestens einen jungen Menschen auszubilden.

Der Brauprozess ist zwar digitalisiert, damit die Qualität jederzeit gleichbleibend überprüft werden kann und Störungen sofort identifiziert werden, aber es fallen immer noch viele händische Tätigkeiten an, zum Beispiel bei der Malzannahme. Hier überprüft der Braumeister die Qualität, indem er sich auf seinen Geruchs- und Tastsinn verlässt, ein wichtiger Arbeitsschritt, für den ebenfalls Fachkräfte, an die diese Erfahrungswerte weitergegeben wurden, gebraucht werden.

Auch Sophia Schütze packt mit an. Nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre hat sie einen sechsmonatigen Brauerkurs absolviert, um in der Produktion mithelfen zu können. Ansonsten arbeitet sie überwiegend im Marketing und kümmert sich so vor allem um die Öffentlichkeitsarbeit, die eng mit dem Relaunch verbunden ist. »Rückblickend betrachtet«, so erzählt sie, »war der Schritt der richtige, auch wenn wir aus Nostalgiegründen an unserem alten Wappen hingen. Und es ist noch nicht Schluss: Wir wollen eine innovative Erlebnisbrauerei werden.« So haben bereits die ersten Fotoshootings von Brautpaaren und Grillseminare mit einem bekannten Youtuber stattgefunden, in dessen Rahmen das kreierte 3-Gänge-Menü mit einer Bierverkostung verbunden wurde.

Weiterhin geplant …

… ist eine kleine Tagungsräumlichkeit sowie der weitere Ausbau des eigenen Shops ‚Hopfen-Manufaktur‘. »Hier werden allerdings nur biernahe Produkte verkauft, kein Bier, damit wir den regionalen Händlern nichts wegnehmen«, erklärt die 29-Jährige. Aktuell ist ihr Vater auch noch im Unternehmen aktiv und kümmert sich noch um seine alten Kunden. »Für uns ist persönlicher Kontakt noch sehr wichtig. So kann es auch mal vorkommen, dass wir nachts angerufen werden, um Bier nachzuliefern«, erzählt Schütze lachend. Auch das ist eben Teil der regionalen Verwurzelung der Schornsteinbrauerei Hohenfelder.

Mehr Informationen zum Unternehmen unter: https://hohenfelder.de

Kontakt

Ansprechpartner:
Henri Sandt
E: henri.sandt[ ät ]whkt.de
T: 0211/3007 722

Barbara Herfs
E: barbara.herfs[ ät ]whkt.de
T: 0211/3007 712