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Best Practice: So geht Innovation

Der Innovationsdialog Handwerk in NRW identifiziert fortlaufend bestehende innovative Modelle und Betriebe in Nordrhein-Westfalen als gute Beispiele. Sie sind die Vorbilder dafür, wie gute Ideen in innovativen Lösungen münden.

Mit Hilfe von Feelgood-Managern und 3D-Druck das Handwerk der Zukunft gestalten

Best Practice Betrieb »Stuck-Belz«

Michael Christmann spricht gerade mit einer Mitarbeiterin, als wir den ruhigen Innenhof im Herzen von Bonn betreten, in dem sowohl die Büroräume als auch das Lager sowie die hauseigene Werkstatt von Stuck-Belz Zuhause sind. Zum Interview lädt der 45-jährige in einen großen Konferenzraum ein.

Tendenz wachsend

Aneinandergereihte Tische bilden eine große Fläche, an der knapp 20 Menschen Platz finden – in etwa so viele Mitarbeitende zählt sein Betrieb mittlerweile, Tendenz wachsend. In Vitrinen prangen diverse Auszeichnungen – Sonderpreis Innovation 2017, Mittelstandspreis 2020/2021, Innovationspreis „RHEINLAND GENIAL“; die Auszeichnungen drängen sich im Glaskasten und kämpfen mit selbst hergestellten Büsten von Beethoven und Adenauer um die Aufmerksamkeit ihrer Betrachter. Vor Christmann liegt ein Tablet. Mit klaren Worten tauschen wir uns über die Themen des Gesprächs aus – Fachkräftemangel, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Innovationsverhalten. »Da habe ich ja eigentlich zu allen Schwerpunkten etwas zu sagen«, antwortet Christmann lächelnd, aber bestimmt – und beginnt zu erzählen.

»Nachwuchsmangel? Haben wir nicht.«

»Bei uns bewerben sich jedes Jahr 60 bis 80 Menschen und wollen hier arbeiten. Wir haben vier Plätze zu vergeben – 2 neue Auszubildende als Stuckateurinnen und Stuckateure, 2 Nachwuchskräfte im Malerbereich.« Ausbildung sei für ihn ohnehin entscheidend, um die Zukunft des Betriebs und auch des Handwerks allgemein zu sichern. Christmann: »Vor einigen Jahren verzichteten Betriebe auf neue Auszubildende. Somit ist unser Nachwuchsproblem im Handwerk auch ein bisschen hausgemacht. Für mich war es deswegen keine Frage, als ich den Betrieb übernommen habe, dass wir wieder fortlaufend Ausbildungsplätze anbieten müssen und allen, die die Prüfung bestehen, ein Übernahmeangebot machen.«

Strategie zur Nachwuchsgewinnung

Seine Strategie zur Nachwuchsgewinnung ist dabei ganz einfach: »Wir zeigen die Stärken unseres Handwerks und begeistern für die Vorteile, die eine handwerkliche Tätigkeit mit sich bringt. Dafür haben wir mit unseren Azubis, die sich allesamt als Ausbildungsbotschafter engagieren, auch Kooperationen mit Schulen und Kindergärten aufgebaut«, so der Unternehmer. Die Schulen und Kindergärten schicken regelmäßig Klassenverbände zu Besuch, welche durch das Unternehmen geführt werden und in der Werkstatt eigene kleine Stuckarbeiten formen. Das koste zwar viel Zeit, doch würden fast alle jungen Menschen glücklich und zufrieden aus den Gestaltungskursen gehen. »Und noch wichtiger: sie verstehen unseren Beruf!« Die Folge: viele Anfragen für Praktika und Bewerbungen auf Ausbildungsstellen.

Innovation?

»Innovationen entstehen, indem man als Unternehmer offen ist und Dinge ausprobiert. Man muss Prozesse laufend hinterfragen, oder wichtiger: hinterfragen lassen. Der Blick von außen ins Unternehmen ist dabei ungemein hilfreich.«

Insbesondere Personalentwicklung spielt für den Obermeister der Stuckateur-Innung Bonn Rhein-Sieg eine große Rolle, um als Betrieb modern und innovativ zu bleiben. So werden regelmäßig Schulungen und Workshops für seine Mitarbeitenden organisiert. Vor einigen Monaten um die Auseinandersetzung mit unangenehmen Kundenfragen – Alltagssituation in seinem Geschäft und vor allem auf der Baustelle, dennoch für viele Mitarbeitende schwierig. Zuletzt war eine Feelgood-Managerin zu Gast und untersuchte per »LEGO Serious Play« mit den Kolleginnen und Kollegen LEGO-Kreationen die Mitarbeiterzufriedenheit, um Verbesserungsvorschläge für interne Abläufe zu entwickeln. »Mit dem Ergebnis habe ich nicht gerechnet, hier kamen Dinge zutage, die wir über normale Meetings nie herausgefunden hätten – ein Riesengewinn für unseren Betrieb«, so Christmann.

Digitalisierung?

»Die stetige eigene Horizont-Erweiterung ist elementar, um den Betrieb weiter zu entwickeln. Die Digitalisierung hat einen Anfang, aber kein Ende.« Erst vor wenigen Jahren implementierte Stuck-Belz deshalb eine neue Projektsoftware, welche die über 100 aktiven Projekte digital verwaltet, von Arbeitszeit über Kundenzufriedenheit bis Materialverbrauch. Dieses wird automatisch erfasst und bei Bedarf nachbestellt. Alle Beschäftigten haben mit ihren Diensthandys Zugriff, um so untereinander und mit den verschiedenen Baustellen vernetzt zu sein. Als schließlich eine sehr außergewöhnliche Anfrage kam, brauchte es erneut eine innovative Lösung: für den Wellnessbereich einer Luxusyacht sollte eine Stuckleiste konstruiert werden – so feinteilig und außergewöhnlich, dass diese per Handarbeit schlicht nicht gelingen wollte. Die Lösung lag im 3D-Druck. »Damals gab es in Europa vier Anlagen, die dazu in der Lage waren, Teile mit diesen Maßen zu drucken.« Einige Versuche später war das Modell perfekt, der Auftrag erfüllt und ein neues Geschäftsfeld geboren. »Heute drucken wir die Formen für die Leisten direkt in Silikon aus, brauchen keine Modelle mehr«, so Christmann stolz, während er das alte Modell in den Händen hält.

Und was ist mit dem Thema Nachhaltigkeit?

Christmann: »Richtige Nachhaltigkeit besteht für mich nicht nur aus Umwelt- und Klimaschutz. Entscheidend ist, dass man für die nachfolgenden Generationen etwas hinterlässt. Das heißt, wirtschaftlich vernünftig handeln und mit der Zeit gehen.« Für ihn persönlich ist die langfristige Perspektive, seiner Tochter, die aktuell ihre Abiturprüfungen ablegt und danach eine Ausbildung zur Stuckateurin absolvieren möchte, um danach im väterlichen Betrieb zu arbeiten, einen gut aufgestellten Betrieb zu übergeben. Dafür investiert Stuck-Belz beispielsweise in firmeneigene e-Ladesäulen, aber eben auch fortlaufend in die Beschäftigten. Ein weiterer Schlüssel für den Erfolg seines Betriebes liegt für ihn auch im richtigen Netzwerk. »Es ist doch am einfachsten, wenn man voneinander lernt. Der Austausch und der Blick nach draußen, das sind die Dinge, die uns hier bei Stuck Belz auch weiterbringen«, meint Christmann. Er ist deshalb stets informiert über die neuesten technologischen Entwicklungen und überlegt bereits, wie er künstliche Intelligenz in der Verwaltung einsetzen kann. Vorstellen kann er sich in naher Zukunft, das digitale Repertoire von Stuck-Belz um einen Roboter für Verputzarbeiten oder eine Maschine, die Beethovenköpfe für das Bonner Museum gießt, zu ergänzen. Auch der Einsatz von Virtual bzw. Augmented Reality Brillen zur Problemlösung auf Baustellen, etwa mit Bauleitern, sei denkbar. »Digitalisierung ist für uns unumgänglich, um effizienter und produktiver zu werden, etwa wenn wir die wichtigste Ressource im Handwerk, gut ausgebildete Fachkräfte, dort einsetzen, wo sie gebraucht werden.«

Mehr Informationen zum Unternehmen unter: https://www.belz.de/.

Kontakt

Ansprechpartner:
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E: henri.sandt[ ät ]whkt.de
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Barbara Herfs
E: barbara.herfs[ ät ]whkt.de
T: 0211/3007 712