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Best Practice: So geht Innovation

Der Innovationsdialog Handwerk in NRW identifiziert fortlaufend bestehende innovative Modelle und Betriebe in Nordrhein-Westfalen als gute Beispiele. Sie sind die Vorbilder dafür, wie gute Ideen in innovativen Lösungen münden.

Der Öko-Tischler aus Ostwestfalen

Best Practice Betrieb »Tischlerei Fuhrmann«

Löwendorf ist ein beschaulicher 200-Seelen-Ort in Ostwestfalen, nahe der Grenze zu Niedersachen. Nahezu alle Häuser liegen an einer einzigen Straße. Auch das von Josef Fuhrmann, vor dem an diesem kalten Vormittag ein großer Möbelanhänger steht. Ein verwittertes Holzschild zeigt in Richtung der Tischlerei, die sich hinter seinem Wohnhaus versteckt.

Auf den ersten Blick erscheint der Betrieb nicht ungewöhnlich:

Auf den ersten Blick erscheint der Betrieb nicht ungewöhnlich: Bohlen und Bretter verschiedener Holzarten stapeln sich an den Wänden. In der Mitte des Raums stehen Formatkreissäge, Abrichte, Bandsäge, Ständerbohrmaschine, Werkbänke. Weitere Maschinen säumen die mit einer warmen weißen Farbe bestrichene Werkstatt, auch ein Oberflächenraum fehlt nicht. Ein typischer, ländlicher und kleiner Handwerksbetrieb, meint man – ganz so typisch ist er dann doch nicht.

Denn Josef Fuhrmann denkt wirtschaftlich. Und zwar im besten Sinne: »Wirtschaftlich denken heißt für viele Unternehmer, kurz- oder mittelfristigen finanziellen Erfolg zu feiern und als Unternehmen zu wachsen. Für mich bedeutet Wirtschaftlichkeit viel mehr. Es bedeutet, langfristig zu denken.« Was er damit meint? Seit ihrer Gründung 1989 ist die Tischlerei Fuhrmann auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, radikal und konsequent.

Das Holz für seine Möbel stammt überwiegend aus regionalem, nachwachsendem Anbau.

»Wer sibirische Eiche möchte, der kauft zwar günstig, nimmt aber auch massive Abholzung und Raubbau an der Natur in Kauf«, so Fuhrmann entschlossen. Tropenhölzer, Spanplatten, Lacke, Kunststoffe werden nicht verwendet, für die Oberflächenbehandlung setzt er beispielsweise stattdessen auf Öle und Wachse, Laugen und Seifen. Für eine schwarze Küche verwendete er jüngst Linoleum als Oberflächenmaterial. »Wenn man nur will, findet man für jedes chemische und umweltschädigende Produkt eine natürliche Alternative«, ist sich der 63-Jährige sicher. Positiver Nebeneffekt: Überschüssige natürliche Materialien kann er ganz einfach kompostieren, weshalb die Tischlerei nur geringe Entsorgungskosten hat. »Außerdem laden sich natürlich behandelte Flächen nicht statisch auf und ziehen daher weniger Staub an«, ergänzt Fuhrmann.

Der Holzverschnitt aus der Produktion der nachhaltigen Möbel sorgt für die Wärme in der Werkstatt, die obligatorische PV-Anlage auf dem Dach liefert den benötigten Strom. Somit ist die Tischlerei nahezu autark. Auch bei der Einrichtung und Renovierung der Werkstatt achtete Fuhrmann auf Nachhaltigkeit. Für die Wand und die Fassade nutzte er Naturfarben, er fängt Regenwasser zur Nutzung auf und ein Grasdach dient als natürliche Klimaanlage. »So wird Hitze draußen gehalten und wir geben gleichzeitig der Natur etwas zurück«, erklärt Fuhrmann.

Hinter dem Konzept steckt spürbare Überzeugung. Es waren die 1970er Jahre, als Fuhrmann für sich entschied, ökologisch zu denken. Ölkrise und saurer Regen machten damals deutlich, welche Folgen die Industrialisierung für Gesellschaft und Natur haben würde. In der ehrenamtlichen Jugendarbeit sagte ihm dann jemand: »Mach es doch einfach anders!«

Fortan setzte sich Fuhrmann für Umweltschutz und Nachhaltigkeit ein. Logisch, dass er auch beruflich mit einem natürlichen Werkstoff arbeiten wollte. Dabei gilt Fuhrmann als Quereinsteiger: zunächst machte er eine Ausbildung als Orgelbauer, arbeitete in diesem Gewerk 10 Jahre lang, ehe er sich 1989 für das Tischlerhandwerk entschied, um statt auf Montage näher bei seiner Familie zu sein. Dort machte er zunächst den Meisterbrief und sich dann selbständig. Fuhrmann: »Für die Vorbereitung zur Prüfung habe ich mir sehr viel bei anderen Tischlern in der Region abgeschaut, teils auch ihre Maschinen benutzen dürfen.«

 

Sein Weg war schließlich erfolgreich.

Die Qualität der Produkte spricht für sein Konzept. Fuhrmann ist überregional bekannt, seine Kundschaft empfiehlt seine langlebigen Möbel weiter. Heute unterstützen ihn neben seiner Ehefrau eine Gesellin, ein Geselle und zwei Auszubildende. »Ich habe alleine angefangen und bin bis zu dem Punkt gewachsen, an dem ich gesagt habe, das passt jetzt so für mich. So kann ich weiterhin neben der Büroarbeit noch zwei Drittel meiner Arbeitszeit für meine Leidenschaften Holz und Design in der Werkstatt investieren«, sagt dazu Fuhrmann. Und sein Modell gibt ihm auch in einem anderen Bereich Recht: Nachwuchssorgen hat die Tischlerei keine, jedes Jahr erhält er viele Initiativbewerbungen. So bildet er über Bedarf aus, betreut fortlaufend zwei Auszubildende.

Von den überwiegend weiblichen Auszubildenden erhielten viele Gestaltungs- und Designpreise für ihre Abschlussarbeiten.

Damit reihen sie sich in die vielen Auszeichnungen, die Josef Fuhrmann für sein nachhaltiges Geschäftsmodell bereits erhalten hat, ein, etwa der Umweltschutzpreis des NRW-Handwerks, der Alfred Jacobi-Preis des Landesverbands Tischler NRW und jüngst der Zukunftspreis der Handwerkskammer Ostwestfalen Lippe zu Bielefeld.

Rückblickend war Fuhrmann mit seinem Betrieb damals wohl der Zeit voraus. Heute dient er als Vorbild dafür, wie nachhaltiges Wirtschaften im Handwerk funktionieren kann – als ganz gewöhnlicher Handwerksbetrieb.

Mehr Informationen zum Unternehmen unter: https://www.tischlerei-fuhrmann.com/.

Kontakt

Ansprechpartner:
Henri Sandt
E: henri.sandt[ ät ]whkt.de
T: 0211/3007 722

Barbara Herfs
E: barbara.herfs[ ät ]whkt.de
T: 0211/3007 712