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Die Veranstaltungen im Detail

Der gemeinsame Austausch steht im Mittelpunkt des Innovationsdialogs Handwerk in NRW. Hier ein gutes Beispiel dafür.

18.12.2023 | Workshop »Circular Economy« im Bauhandwerk

WHKT, Betriebe und Fraunhofer UMSICHT identifizieren Potenziale und Handlungsansätze für eine Circular Economy

»Circular Economy«, Kreislaufwirtschaft oder zirkuläres Wirtschaften zielen darauf ab, Ressourcen zu schonen, sie effizient zu nutzen und sie möglichst lange, hochwertig im Wirtschaftssystem zu erhalten. Materialknappheit, Preissteigerungen bei Rohstoffen und Materialien sowie Nachhaltigkeitsanforderungen in der Wertschöpfungskette tragen zum zunehmenden Interesse im Handwerk für Kreislaufwirtschaft bei. Handwerksbetrieben des Bauhaupt- und Ausbaugewerbes stellt sich beispielsweise die Frage der möglichen Wiederverwertung von Materialien. Konkrete Potenziale und Handlungsansätze für den Einsatz einer »Circular Economy« auf Betriebsebene wurden im Rahmen eines gemeinsamen Workshops mit dem Forschungsinstitut Fraunhofer UMSICHT identifiziert.

Zu Beginn erläuterte Erich Jelen, Mitarbeiter des Instituts Fraunhofer UMSICHT, in seinem Impulsvortrag, dass die »Circular Economy« nicht mit dem ursprünglich deutschen Verständnis von Kreislaufwirtschaft gleichgesetzt werden dürfe, welches stark von der Abfallwirtschaft geprägt gewesen sei. »Circular Economy« verfolge vielmehr einen ganzheitlichen, lebenszyklusorientierten Ansatz. Ziel sei Potenziale zu identifizieren, um mit Hilfe von Kreislaufwirtschaft nicht nur nachhaltiger, sondern auch profitabler zu wirtschaften. Die Idee Ressourcen mehrfach zu nutzen, sei keineswegs neu: Man denke etwa an die Nutzung von Trümmern nach dem zweiten Weltkrieg zum Bau von Häusern oder an Lehmbausteine, welche mehrfach genutzt werden können und weiterhin billig und feuchtigkeitsregulierend seien. Neue Technologien wie der 3D-Druck böten außerdem die Möglichkeit, wenige Exemplare eines gewünschten Baustoffes zu produzieren, ohne eine Mindestmenge abnehmen zu müssen.

Digitale »Circular Economy« Plattform

Start-Ups haben die Wiederverwendung von Baustoffen teilweise bereits zu Geschäftsmodellen gemacht. Es gibt Unternehmen, die zum Abriss stehende Gebäude besuchen, um ausgemusterte Materialien zu katalogisieren und deren Wiederverwertung zu prüfen. Handwerksbetriebe können hiervon profitieren, indem sie selbst diese Materialien kaufen und nutzen. Die teilnehmenden Betriebe berichteten ihrerseits von Materialien, die erneut genutzt werden können: Neben Dachziegeln würden sich auch Dachbalken für eine Einlagerung eignen, aber auch Waschbecken und sogar ganze Treppen könnten bei Start-Ups oder regionalen Bauhöfen besorgt werden, um nicht auf neue Materialien angewiesen zu sein. Alte Materialien böten unter Umständen zudem Vorteile in Bestandsbauten zum Beispiel in Sachen Feuchtigkeitsschutz. Die Überlegungen der Teilnehmenden mündeten in die Idee der Konzeption einer digitalen Plattform, auf der gezielt handwerklich relevante Restbestände angeboten werden könnten. Parallel müsse ein Standard- oder Nachweisverfahren etabliert werden, um nachzuvollziehen, woher die Materialien kommen und mit welchen Stoffen sie Kontakt hatten. Im Ergebnis sei eine Zusammenarbeit mit Start-Ups für die Materialbeschaffung und eine Verknüpfung mit bestehenden Innovations- und Austauschplattformen des Handwerks denkbar.

Nachvollziehbarkeit durch Dokumentation

Bei der Wiederverwertung von Materialien müssen gewerkespezifische Herausforderungen beachtet werden, etwa in der Denkmalpflege. So berichtete eine teilnehmende Betriebsinhaberin, dass die zur Verfügung stehenden Materialien nicht immer optisch zum zu restaurierenden Objekt passten, und insbesondere die Schadstoffbelastung oftmals ein Problem darstelle. Es gebe unterschiedliche Lösungsansätze. Die Teilnehmenden diskutierten die Vorteile einer gewissenhaft geführten Bauakte, welche idealerweise auch die Behandlung einzelner Materialien, beispielsweise mit Alterungsschutzmitteln, dokumentiere. Die Digitalisierung biete die Möglichkeit, von überall auf solche Dokumentationen zuzugreifen, diese durchsuchen und auf Besonderheiten mit Annotationen hinweisen zu können. Hierbei muss aus Erfahrung der Teilnehmenden aber bedacht werden, dass sich Betriebe nicht vollständig auf digitale Modelle verlassen können. Vor der zirkulären Nutzung müsse unter Umständen eine Probe entnommen werden, um mögliche Schadstoffe zu identifizieren. Diese könnten allerdings auch bei der Lagerung in das Material gelangt sein, weshalb auch die Lagerorte in die Überlegungen einbezogen werden müssten.

Gemeinsame Prozessoptimierungen

Bei der Bestellung von Materialien sollte idealerweise darauf geachtet werden, den Überschuss von vorneherein für die Wiederverwertung einzuplanen bzw. den Verschnitt zu reduzieren. Es gebe Möglichkeiten, Öle für das Schneiden von Metall zurückzugewinnen und erneut im Prozess einzusetzen. Holz-Verschnitt könne für die Holzfaserdämmung von Gebäuden genutzt werden. Auch Lieferanten spielten eine wichtige Rolle beim Streben nach mehr Nachhaltigkeit im Bau, gab ein teilnehmender Zimmerer zu bedenken. Ein Beitrag könne beispielsweise sein, dass Hersteller Materialien nicht mehr in Folie verpacken, Abfälle zurückzunehmen und erforderlichenfalls nachhaltige Verpackungen zu verwenden. Aus Erfahrung berichten die Betriebe, dass etwa Mörtelsäcke nur riesel- und tropffrei zurückgenommen werden, was sich in der Praxis, besonders wenn der Zement hart geworden ist, als Belastung erweise, die die Handwerksbetriebe zu stemmen haben. Deshalb sollte versucht werden, Verschnitt und Verpackungen möglichst schnell wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen.

Gemeinsam diskutierten die Anwesenden eine Rücknahmepflicht seitens der Hersteller, wie es bei Elektroschrott teilweise schon praktiziert wird, für welche sich die Handwerksorganisationen bei der Politik einsetzen sollte. Die Kosten für die Wiederaufbereitung von Materialien für ihren erneuten Einsatz sollten nicht von Handwerksbetrieben getragen werden müssen. So könnten viele Handwerkerinnen und Handwerker zusätzlich motiviert werden, Ansätze einer »Circular Economy« im Betrieb zu verfolgen. Aktuell sei in vielen Fällen ein Neukauf von Materialien bzw. die Entsorgung nicht genutzter Baustoffe vergleichsweise günstig. Ebenso sei es wichtig, pauschale Verbote von Ersatzbaustoffen, wie sie viele Kommunen erlassen haben, um eine Schadstoffbelastung auszuschließen, von Seiten des Handwerks zu überprüfen. Positive Beispiele, wie das cradle-to-cradle Haus in Düsseldorf, können dabei helfen, Entscheidungsträgerinnen und -träger von der Sicherheit und den Potenzialen des zirkulären Bauens zu überzeugen.

Nachhaltigkeit stärker betonen

Auch bei Ausschreibungen gelte es, neue Wege zu denken, um eine »Circular Economy« zu ermöglichen. Oftmals zähle einzig und allein das günstigste Angebot, um den Zuschlag zu erhalten. Planungen seien oftmals zu kurzfristig, da Investitionen nur auf 10 Jahre runtergerechnet werden und es keine Rolle spiele, wie lange ein Gebäude hält. Dies verhindere den Einsatz von wiederverwertbaren Materialien, die in der Anschaffung oftmals etwas teurer seien, sich aber spätestens beim Rückbau rechneten. Die Niederlande seien in diesem Aspekt deutlich weiter: Das Rathaus von Venlo wurde nach Angaben der Teilnehmenden mit einer Nutzungszeit von 40 Jahren geplant, beim Bau wurde gänzlich auf Putz verzichtet und statt Chemie nur traditionelle Naturmaterialien eingesetzt, etwa das Holz mit Essig imprägniert. Auch in anderen Bereichen kann eine nachhaltige Planung zu mehr Nachhaltigkeit beitragen, ohne den Nutzen zu vernachlässigen, etwa wenn eine gezielte Verschattung den Einbau einer Klimaanlage obsolet mache. Weiterhin diskutierten die Teilnehmenden, wie die Nutzungsdauer von Bauten erhöht werden kann. Auch hier gehen Betriebe in den Niederlanden neue Wege, indem sie, bezahlt durch Wartungsverträge, in Verbundsystemen für Putz auch nach Ablauf der Gewährleistung regelmäßig nach Rissen suchen. 3D-Modelle der Gebäude helfen dabei, diese zu erkennen. Bei besonders hochwertigen Fassaden werden sogar dauerhaft Kameras, teilweise mit Spiegeln, aufgestellt, um Bauwerke zu überwachen und Mängel möglichst frühzeitig zu erkennen. Eine Automatisierung der Überwachung wäre nach Ansicht der Teilnehmenden eine hilfreiche Ergänzung, um personelle Ressourcen einzusparen.

Expertise von Handwerksbetrieben nutzen

Bei der Auswahl der Materialien werden Handwerksbetriebe in der Regel vor vollendete Tatsachen gestellt, da der Bauherr darüber entscheidet und diese bestellt. Aktuell gebe es zu viele Kombinationsstoffe, z.B. vorgefertigte Mörtelmischungen, in denen die geringfügigen Bestandteile (unter 1 Masseprozent) nicht angegeben werden müssen. Für die Wiederverwertung etwa im Bereich Denkmalpflege sei es aber notwendig, die genaue Zusammensetzung der Mischung zu kennen, da sie sich unter Umständen anders verhalte. Dies sorge nicht nur dafür, dass auf alternative, teurere Materialien zurückgegriffen werden müsse, sondern widerspreche auch der Erfüllung von Nachweisen etwa im Zuge der Gefahrstoffverordnung. Außerdem müsse explizit darauf geachtet werden, wo diese Stoffe eingesetzt werden dürften, weshalb auf Baustellen abschließbare Kleincontainer im Trend seien. Dies könne durch eine engere Zusammenarbeit mit den Partnern im Zuge eines vernünftigen Baustellenmanagements, in welches das Handwerk von Anfang an eingebunden sein sollte, gelöst werden. Gerade vor dem Hintergrund der »Circular Economy« sollten solche Kooperationen auch für die Entsorgungslogistik übernommen werden und hier klar festgelegt werden, wer die Verantwortung trage und somit für die Dokumentation zuständig sei.

Die bessere Einbeziehung des Handwerks in die Planung und das Baustellenmanagement wurde von den Anwesenden als sehr sinnvoll erachtet. Von Anfang an sollte über den Tellerrand geschaut und von anderen Branchen nicht nur gelernt, sondern Potenziale der Zusammenarbeit erkannt werden, um eine »Circular Economy« zu etablieren. Für den Witterungsschutz für Hölzer eigneten sich beispielsweise alte Folien aus der Landwirtschaft. Darüber wüssten Architekten und Planer aber meist nicht Bescheid und müssten durch Handwerksbetriebe verstärkt aufgeklärt werden. Dasselbe gelte für die Nutzerinnen und Nutzer der Häuser, die vor allem durch die Expertise von Handwerksbetrieben sensibilisiert werden müssten, um etwa den Aspekt der Wärmespeicherung von Materialien zu betonen, welcher in der aktuellen Diskussion, die sich ausschließlich um Wärmedämmung drehe, zu kurz komme. Handwerksbetriebe sollten, so waren sich die Teilnehmenden einig, die oben beschriebenen Vorteile und Handlungsansätze eines zirkulären Wirtschaftens zum Teil ihrer Expertise machen und diese selbst im eigenen Betrieb umsetzen. Besonders im Einkauf sehen die Betriebe für sich Potenziale, mit einem Wechsel auf regionale Verkaufsplattformen, auf denen wiederverwertbare Materialien angeboten werden, konkrete erste Schritte in Richtung einer »Circular Economy« zu machen. Die Fraunhofer Gesellschaft bietet konkrete Unterstützungsangebote an, um gemeinsam mit Betrieben mögliche Entwicklungsschritte zu identifizieren und zu erproben.

Kontakt

Ansprechpartner:
Henri Sandt
E: henri.sandt[ ät ]whkt.de
T: 0211/3007 722

Barbara Herfs
E: barbara.herfs[ ät ]whkt.de
T: 0211/3007 712